So funktionieren direkte neuronale Schnittstellen

Gestern schien das Ganze noch wie Science Fiction, doch schon drängen neuronale Schnittstellen in unser tägliches Leben.

Wir leben in einer interessanten Zeit, in der Technologien, die wie aus Science-Fiction-Filmen wirken, immer mehr in unser tägliches Leben kommen. Zumindest machen sie ihre ersten, wackligen Schritte, um Teil unseres Alltags zu werden. Ein Beispiel dafür sind direkte neuronale Schnittstellen. Auf der einen Seite nur eine weitere Möglichkeit für die Mensch-Maschine-Interaktion, doch auf der anderen Seite sind sie recht revolutionär.

Moderne PC-Schnittstellen sind Maus, Tastatur oder Touch-Screens. Und auch die Eingabe per Stimme und Gesten verbreitet sich immer mehr. Ein Computer kann bereits Augenbewegungen verfolgen und feststellen, wohin ein Anwender blickt. Die nächste Stufe der Mensch-Maschine-Interaktion ist dann die direkte Kommunikation über neuronale Signale, die über direkte neuronale Schnittstellen übertragen werden.

Wie alles begann

Die ersten theoretischen Einblicke in dieses Konzept basieren auf Forschungen von Setschenow und Pawlow, den Gründervätern der Theorie zu konditionierten Reflexen. Die Theorie, die aktuell als Basis solcher Geräte dient, wurde Mitte des 20. Jahrhunderts in Russland entwickelt, und die praktische Ausführung in Russland und weltweit startete bereits in den 1970er Jahren.

Damals versuchten Wissenschaftler, verschiedene Sensoren in Schimpansen zu injizieren und sie dazu zu bringen, Roboter mit Gedankenkraft zu manipulieren, um Bananen zu bekommen. Interessanterweise hat das funktioniert. Wo ein Wille, ist auch ein Weg – so sagt man. Die größte Herausforderung war, dass die Wissenschaftler ihre „Mind Machine“ mit elektronischen Komponenten erstellen mussten, die den ganzen Nebenraum füllten.

Heute ist das kein Problem mehr, da die meisten elektronischen Komponenten winzig sind. Heute kann jeder Geek die Rolle der Schimpansen aus den 1970er Jahren übernehmen. Von den praktischen Anwendungen und Vorteilen für gelähmte Menschen ganz zu schweigen.

Wie das Ganze funktioniert

Einfach gesagt, generiert, überträgt und verarbeitet das menschliche Nervensystem elektrochemische Signale in verschiedenen Teilen des Körpers. Der „elektrische Teil“ dieser Signale kann „gelesen“ und „ausgewertet“ werden. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. So kann man die Signale zum Beispiel per Magnetresonanzbildgebung (Magnetic Resonance Imaging, MRI) empfangen, doch die dafür benötigten Geräte sind sehr groß.

Es ist möglich, spezielle Flüssig-Marker zu injizieren, um den Prozess zu verbessern, doch diese könnten schädlich für den menschlichen Organismus sein. Aber man kann zumindest kleine Sensoren verwenden, was generell die Nutzung direkter neuronaler Schnittstellen bedeutet.

Im Alltag finden wir solche Geräte bei Neurologen. Sie sehen aus wie Gummimützen mit einer Vielzahl angeschlossener Sensoren und Kabel. Sie werden für die Diagnose verwenden, aber wer sagt, dass man sie nicht auch anderweitig nutzen kann?

Wir sollten noch unterscheiden zwischen direkten neuronalen Schnittstellen und Gehirn-Maschinen-Schnittstellen. Die letzteren stammen von den ersten ab und beschäftigen sich nur mit dem Gehirn. Direkte neuronale Schnittstellen haben dagegen mit verschiedenen Teilen des neuronalen Systems zu tun. Im Grunde sprechen wir hier von indirekten und direkten Verbindungen zum menschlichen Nervensystem, die wir verwenden können, um bestimmte Signale zu übertragen und zu empfangen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die „Verbindung“ mit einem Menschen herzustellen – und alle haben mit den entsprechenden Sensoren zu tun, die dabei verwendet werden. So gibt es zum Beispiel die folgenden Sensoren, die sich darin unterscheiden, wie tief sie in den Körper eindringen:

• Nicht-eintauchende Sensoren: Die Elektroden werden hier auf die Haut gesetzt oder sind sogar ein wenig davon entfernt, etwa bei der oben angesprochenen „medizinischen Gummimütze“.

• Halb-eintauchende Sensoren: Die Sensoren werden hier an der Gehirnoberfläche und damit näher an den Nerven angebracht.

• Eintauchende Sensoren: Die Sensoren werden direkt implantiert und in das Gehirn oder in Nerven eingefügt. Diese Methode ist sehr tiefgreifend und hat viele Nebenwirkungen: Man kann unter anderem aus Versehen den Sensor verrücken, so dass er abgestoßen wird. Eine gruslige Methode, die aber dennoch auch angewandt wird.

Um die Signalqualität sicherzustellen, werden die Sensoren auch mit speziellen Flüssigkeiten angefeuchtet oder das Signal wird direkt „vor Ort“ verarbeitet, usw. Die empfangenen Signale werden dann von spezieller Hardware und Software weiterverarbeitet und bringen je nach Vorgabe bestimmte Ergebnisse.

Einsatzmöglichkeiten

Forschung ist die Einsatzmöglichkeit, die einem sofort einfällt. In frühen Studien wurde mit Tieren geforscht: Mäusen oder Schimpansen wurden winzige Elektroden injiziert und dann wurden ihre Gehirnbereiche oder neuronale Aktivitäten überwacht. Die Datensammlung half dabei, umfassende Studien zu Gehirnprozessen zu erstellen.

Medizin ist der nächste Bereich: Solche Schnittstellen werden in der Neurologie zur Diagnose eingesetzt. Und wenn der Patient das Ergebnis bekommt, kann er einen Prozess namens Neurofeedback starten. Ein weiterer Kanal, der für die Selbstregulierung des Organismus verantwortlich ist, wird aufgemacht: Die physiologischen Daten werden dem Anwender verständlich dargeboten, so dass er lernt, seinen eigenen Zustand aufgrund dieser Daten zu verändern. Solche Geräte gibt es bereits und sie werden auch benutzt.

Eine weitere vielversprechende Anwendung ist die Neuroprothetik, bei der Forscher bereits sehr gute Resultate sehen. Sollte es keine Möglichkeit geben, beschädigte Nerven in einem gelähmten Körperteil zu „reparieren“, kann man Elektroden injizieren, die dann die entsprechenden Signale an die Muskeln weitergeben. Das Gleiche gilt auch für künstliche Gliedmaßen, die mit dem neuronalen System verbunden werden können. In extravaganten Fällen können solche Systeme auch verwendet werden, um „Avatar-Roboter“ zu steuern.

Es gibt noch einen weiteren Bereich, über den sprechen sollten: Die so genannte sensoraktivierte Prothetik. Etwa Cochlea-Implantate, die das Gehör wiederherstellen und bereits existieren. Zudem gibt es neuronale Netzhautimplantate, die zumindest teilweise das Augenlicht wiederherstellen können.

Und auch Spiele geben hier viel Raum für Fantasien – und wir sprechen nicht nur von Virtual-Reality-Spielen: Sogar so eine normale Anwendung, wie die Steuerung von ferngesteuerten Spielzeugen hört sich über neuronale Schnittstellen sehr spannend an.

Wenn die Fähigkeit, Signale auszulesen mit einem gegenläufigen Prozess, Signale zurückzuschicken, erweitert wird, und dabei bestimmte Teile des Nervensystems stimuliert werden, bedeutet das für die Spielebranche (theoretisch) viele aufregende Möglichkeiten.

Ist es möglich, Gedanken zu lesen und aufzuschreiben?

Beim derzeitigen Stand der Technik, ist die Antwort auf diese Frage ja und nein. Die Signale, die wir auslesen, können nicht direkt als Gedanken bezeichnet werden, daher können wir also nicht „lesen“, was eine andere Person denkt.

Die Signale sind nur Spuren, Abdrücke der Aktivität des Nervensystems, verstärkt durch Rauschen und mit einer Verzögerung von einer Sekunde geliefert. Sie sind nicht einmal separate Neuronen, die gelesen werden, sondern nur die Aktivität eines bestimmten Gehirnbereichs oder des Nervensystems. In diesem Meer aus Informationen können keine einzelnen Gedanken gefangen werden.

Auf der anderen Seite gibt es Studien basierend auf Magnetresonanzbildgebung, die es erlauben, Bilder zu „entschlüsseln“, die von der Betrachtung bestimmter Bilder kommen. Die Bilder sind nicht sehr scharf, können aber verwendet werden, um ein Gesamtbild zusammen zu stellen.

Noch schwieriger scheint es zu sein, die Gedanken einer Testperson aufzuschreiben und es gibt in diesem Bereich keine öffentlichen Studien. Doch basierend auf benachbarten Forschungsfeldern können wir bereits eine Warnung aussprechen: Nehmen Sie zum Beispiel die Elektroschocktherapie – damit kann man die Erinnerung eines Patienten auslöschen und seine kognitiven Fähigkeiten beeinflussen. Aber die tiefe Stimulation des Gehirns hilft auch bei der Heilung der Parkinson-Krankheit.

Was hat das mit Computersicherheit zu tun?

So seltsam es scheinen mag, dieses Thema ist direkt mit Computersicherheit verknüpft. Abgesehen von der Diskussion zur ethischen Seite neuronaler Schnittstellen, sollten wir immer daran denken, dass es sich hier einfach um eine hochentwickelte Technologie handelt, und solche Dinge müssen geschützt werden.

Heute, da alle möglichen Dinge vernetzt werden, wird das auch mit neuronalen Geräten passieren. Eine typische Anwendung ist zum Beispiel der Versand von bei einer Diagnose gesammelten Daten über das Internet – entweder direkt von einem Diagnosegerät oder vom Anwender. Wenn es eine Verbindung gibt, besteht auch die Möglichkeit, diese zu hacken. Und wenn wir uns eine gar nicht so weit entfernte Zukunft vorstellen, in der direkte neuronale Schnittstellen überall zu finden sind, können wir uns auch vorstellen, dass zum Beispiel Implantate, die zur Verbesserung der Sehkraft oder des Gehörs verwendet werden, zur Auslieferung von visueller oder tonaler Werbung sowie der Übertragung falscher Informationen missbraucht werden können.

Gedankenlesen klingt noch besorgniserregender, von der Aufzeichnung von Erinnerungen ganz abgesehen. Wenn es heute eine Möglichkeit (selbst mit Rauschen) zum Auslesen von Bildern gibt, was wird dann in mehreren Jahren sein, wenn sich die Technologie weiter entwickelt?
Das Ganze mag noch nach technischem Mumpitz klingen, doch wenn man bedenkt, wie schnell sich neue Technologien entwickeln und im Alltag eingeführt werden, kann es sein, dass neuronale Geräte und Schäden durch deren sorglose Nutzung viel schneller auf uns zukommen, als gedacht.

 

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